Die Geschichte der St. Johannismühle
Die St.-Johannis-Mühle ist eine 1808 erbaute Windmühle in Flensburg, die an der Ecke Kappelner Straße/An der Johannismühle auf einer Anhöhe im Flensburger Stadtteil Sandberg steht.
1808 erbaut
St. Johannis ist das älteste Stadtviertel Flensburgs. Um die Johanniskirche herum ducken sich malerische kleine, historische Häuser von denen aus sich die Kappelner Straße stark ansteigend nach Osten zieht, an einer Kuppel vorbei, auf der im Jahr 1808 eine ganz besondere Windmühle erbaut wurde: ein sogenannter achteckiger Galerieholländer auf Eichenpfeilern, die unmittelbar auf Granitsteinen gegründet sind – ohne ein gemauertes Fundament. Wir können heute nur darüber staunen, wie diese über 17 m langen Eichenpfähle mit ihrem gewaltigen Querschnitt um das Jahr 1800 herum ihren Weg aus Skandinavien nach Flensburg gefunden haben, und wie es den Mühlenbauern gelang, das Achteck aufzurichten, das unten einen Durchmesser von 35 Fuß hat und sich nach oben auf 13 ½ Fuß verjüngt, auf dem 7. „Taflement“, dem obersten festen Geschoss.
Dieser Turm erfüllt zwei Aufgaben, die unmittelbar miteinander verwoben sind: er bietet Raum für die verschiedenen Mahlwerke („Gänge“) und die dafür notwendigen Gerätschaften, für die Lagerung und den internen Transport des Getreides und der Güter, die daraus hergestellt werden: diverse Mehlsorten, Grütze und Graupen. Und er ist das Fundament für den Windmotor, das Flügelrad, das die Maschinen antreibt. In etwa 17 m Höhe ist dazu ein etwa 15 Tonnen schweres Gebäude (die „Kappe“) errichtet worden, das drehbar so gelagert ist, dass es mit dem Flügelkopf jeweils in den Wind gedreht werden kann. Die vielfältigen Kräfte, die dabei auftreten, müssen alle sicher von dem Balkenwerk des Turms aufgenommen werden können: daher die gewaltigen Eckstiele, die mit den massiven Andreaskreuzen unter Einsatz von beeindruckenden Schmiedenägeln fest eingepasst wurden. Ein ganz besonderes Detail sind die „holländischen“ Keilschlossverbindungen, mit denen die Aufschieblinge fest angesetzt worden sind.
Die Kappe
Ursprünglich war eine hölzerne Welle eingebaut worden, die 30 Zoll im Vierkant dick war. Sie trug vorn das Flügelrad mit 4 Segelflügeln, die beiden Ruthen waren jeweils 80 Fuß lang. Die Drehung wurde von dem hölzernen Kammrad mit 9 ¾ Fuß Durchmesser aufgenommen. Nach etwa 20 Jahren war die hölzerne Welle verschlissen und man gab der Eisengießerei Jepsen in Flensburg den Auftrag, eine Stahlwelle zu gießen.
Eine weitere wesentliche Veränderung betraf den Verstellmechanismus der Kappe. In Deutschland setzte sich im Laufe des 19. Jahrhunderts weitgehend eine automatische Kappennachführung durch, bei der eine s.g. „Windrose“, ein am hinteren Ende der Kappe montiertes, quergestelltes Windrad dafür sorgt, dass das Flügelrad immer zum Wind gerichtet ist. Dafür konnte dann das Joch und der Steert entfallen, an denen bis dahin der Müller auf der Galerie arbeitend von Hand die Kappe nachführen musste.
Und schließlich bekam auch die Johannismühle s.g. „Jalousieflügel“, die dem Müller die harte und gefährliche Arbeit mit Segelflügeln ersparte.
Der Verfall
Das alles änderte nichts daran, dass sich die klassische Windmühlentechnik in der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts überlebt hatte. Ein Flügelrad leistet bei gutem Wind ca. 60 PS, verbunden mit harter täglicher Arbeit, dem Risiko, dass der Wind nicht oder zu stark weht, und - nicht zu vergessen – einem unvorstellbaren Erhaltungsaufwand, der mit dem Wind und Wetter ausgesetzten hölzernen Gebäude verbunden ist.
Damit war der weitere Weg der Johannismühle vorgezeichnet: 1927 übernahm die Stadt Flensburg die Johannismühle in ihr Eigentum, stellte sie unter Denkmalschutz und verpachtete das Industriedenkmal an Johann Nissen. 1939 brach ein Flügel, von da an wurde keine Windkraft mehr eingesetzt. Aus optischen Gründen entfernte man dann 1953 die Restflügel um 1954 funktionsunfähige Flügelattrappen anzusetzen. In den letzten Jahren des 20. Jahrhunderts war das Unfallrisiko durch herabstürzende Teile so groß geworden, dass die Kappe abgenommen, die Flügel entsorgt und die Galerie entfernt wurde. Die Dachhaut wurde undicht, immer mehr Wasser drang ein und der finale Kollaps des stadtbildprägenden Baudenkmals stand unmittelbar bevor.
Die Sanierung
Im Jahr 2021 kauften die jetzigen Eigentümer die verfallene Mühle inklusive der Müllerhäuser. Mit viel Durchhaltevermögen, Kreativität und einer guten Portion Optimismus wurden erst die Müllerhäuser renoviert, bevor sich Prof. Dr. Lutz Fiesser und Gabriele Fiesser-Meienbrock dann ihrem Meisterstück zuwandten - der Sanierung der verfallenen Mühle. In mehr als zwei Jahren Planungs- und Bauzeit, unter langen und schwierigen aber immer konstruktiven Abstimmungen mit den Behörden, gelang es Stück für Stück, die Herausforderungen des Brandschutzes, der Statik und des Denkmalschutzes zu lösen und die Mühle von Grund auf - unter Erhaltung der einzigartigen Tragstruktur - neu aufzubauen und an die heutigen Standards anzupassen. Bei der Sanierung der Mühle wurde streng darauf geachtet, alle noch vorhandenen Zeichen der unterschiedlichen Mühlen-Technologien zu erhalten. Das betrifft insbesondere die Kappe, aber auch den Mühlenturm, bei dem mit hohem Aufwand versucht wurde, die Spuren der Zeit nicht zu tilgen, sondern behutsam zu ertüchtigen und in ihrem historischen Zusammenhang sichtbar zu machen.